#GruppeS: Rechtsterrorismus der Internet-Wutbürger?

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit findet seit April 2021 am Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim ein Prozess gegen 12 Personen wegen Unterstützung oder Gründung einer terroristischen Vereinigung statt. Im Februar 2020 sollen sich in Minden Personen aus unterschiedlichen Bundesländern getroffen haben, die sich oft nur aus rechten Chat-Gruppen kannten, und über Anschläge beraten haben.

Auf die Gruppe aufmerksam gemacht wurden die Behörden durch Paul-Ludwig U., einen Zuträger aus dem inneren Zirkel. Dessen Berichte machen auch einen größeren Teil der Anklageschrift. Doch die Aussagen des Hauptbelastungszeugen, der gleichzeitig ebenfalls angeklagt ist, entpuppen sich als ungenau, übertrieben und teilweise falsch. Zudem war U. ein Scharfmacher der Gruppe. Unklar ist ob er nur aus eigener Motivation oder im Auftrag handelte. Diesen Schwachpunkt versuchen die Anwält*innen der übrigen Angeklagten zu nutzen, um den Prozess zum Einsturz zu bringen.

An einer vorläufigen Einschätzung versucht sich Lucius Teidelbaum, freier Journalist und Bildungsreferent mit dem Schwerpunkt extreme Rechte und anliegende Grauzonen.   Disclaimer: Dieser Vortrag kann mehr Fragen aufkommen lassen als Antworten geben.

Mit Lucius Teidelbaum

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Mit der Selbstenttarnung des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), welche sich in diesem November zum zehnten Mal jährt, zeigte sich, dass es in der Bundesrepublik kein Verständnis von rechtem Terror gab. Während die Aufarbeitung des NSU-Komplexes weitestgehend von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Angehörigen und nicht etwa durch den Gerichtsprozess geleistet wurde, bekundete die Politik, energischer gegen rechten Terror vorgehen zu wollen. Trotzdem ist die Liste rechtsterroristischer Taten der vergangenen Jahre lang: Der rassistische Mordanschlag in Wächtersbach, der Mord an Walter Lübcke in Kassel, der Anschlag von Hanau, rassistische Gewalt in Schlüchtern oder die Drohschreiben des selbsternannten „NSU 2.0“ – die Aufzählung zeigt, welche Gefahren durch rechtsterroristische AkteurInnen nach wie vor bestehen. In den letzten Jahren zeigt sich angesichts von Prepper-Netzwerken und „Nordkreuz“-Chatgruppen gar, dass rechtsterroristische Netzwerke bis in die Sicherheitsbehörden reichen. Hessen ist eines der Bundesländer mit den meisten rechtsterroristischen Taten der vergangenen Jahre.

Nach rechtsterroristischen Taten sind oft leere Worthülsen und falsche Versprechen zu hören, während im selben Atemzug vorschnell von „Einzeltätern“ oder psychischen Krankheiten als Tatmotiv gesprochen wird. Betroffene, Opfer und Aktivist*innen müssen oftmals jahrelang darum kämpfen, dass rechte Taten als solche erkannt, benannt und anerkannt werden. Auch weitere Forderungen wie solche nach Opferfonds zur finanziellen Unterstützung von Überlebenden und Betroffenen oder die Entwaffnung und Zerschlagung rechter und rechtsterroristischer Netzwerke muss immer wieder von marginalisierten Gruppen auf die Tagesordnung gebracht werden. So sind im universitären Kontext etwa Schutzkonzepte gegen rechten Terror nötig, um die Studierenden und alle anderen Mitglieder der Universität vor derartigen Gewalttaten schützen zu können!

Eine Auseinandersetzung mit rechtem Terror, den dahinterstehenden Konzepten und AkteurInnen ist unerlässlich, um adäquate Analysen im Kampf gegen eine der größten Bedrohungen gegen Menschen unserer Zeit vornehmen zu können. In drei Veranstaltungen wollen wir im November und Dezember gemeinsam mit den Refererierenden diskutieren, wie rechter Terror wirkt, von welchen Netzwerken Gefahren ausgehen, und welche Umgangsformen es damit geben kann.

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